Sherrinford Holmes und Ormond Sacker - ja, so sollten sie heißen, die beiden berühmtesten Charaktere der Detektiv-Welt, als Sir Arthur Conan Doyle 1886 erste Entwürfe zu seinen Kriminalgeschichten niederschrieb. Auch sie sollten in der Baker Street 221b in London - einer damals fiktiven Adresse - leben und vermutlich hätten sie sich selbst mit diesen Namen durchgesetzt, denn wie schon William Shakespeare so schön sagte: "Was ist eine Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften". ;-)
Viel wichtiger ist doch, die Art der Erzählung, in die der Autor seine Protagonisten einbettet. Detektiv-Geschichten, die sich nur durch unerklärliche Zufälle aufklärten, gaben für Doyle einfach nicht genug her. Seiner Meinung nach, sollte der Leser erfahren, auf welche Weise die Lösung eines Problems herausgefunden wurde. Beobachtung und wissenschaftliche Analyse sollten schieres Glück und Zufall ersetzen. Als Vorbild diente ihm, wie bereits erwähnt, sein eigener Professor an der medizinischen Fakultät der Universität von Edinburgh, Joseph Bell. Bell war Chirurg, Kinder- und Militärarzt. Außerdem war er der Leibarzt von Königin Victoria, wann immer diese in Schottland weilte. Bell galt als Pionier auf dem Gebiet der Forensik. Im Jahre 1888, nachdem Jack the Ripper in London sein viertes Opfer getötet hatte, nahm Scotland Yard den Ratschlag von Bell in Anspruch. Ihm ist es zu verdanken, dass sich ab dieser Zeit nicht mehr nur auf Indizien und Zeugenaussagen verlassen wurde, sondern dass kriminaltechnische Verfahren an Bedeutung gewannen.
Genaue Beobachtungen, Kombinationsgabe und logische Schlussfolgerungen, die sich in der Gestalt von Sherlock Holmes vereinen, sind eine Referenz auf Bell, der dafür bekannt war, erste Diagnosen bereits abgeben zu können, noch ehe seine Patienten ihre Probleme artikuliert hatten.
Die Tatsache, dass Sir Arthur Conan Doyle als Assistent von Bell tätig war, ist wohl einer der Gründe, weshalb Doyle oft mit Dr. Watson in Verbindung gebracht wird. Zudem "teilen" sie sich ja auch die Aufgabe des Erzählers. Lediglich in vier Geschichten des umfassenden Kanons, tritt Sherlock Holmes selbst als Erzähler auf.
56 Erzählungen und vier Romane von Sherlock Holmes gibt es (Plus diverse Werke, die mit dem Hauptkanon in Verbindung stehen) und sie alle kann man als Klassiker bezeichnen. Ja, das kann man in der Tat wohl ohne Bedenken so sagen. Jeder hat schon einmal von Sherlock Holmes gehört und weiß, worum es im Groben geht. Allerdings waren die Anfänge nicht ganz so leicht, wie man sich das vielleicht vorstellen mag.
Die erste Geschichte, oder besser gesagt, den erste Roman "A Study in Scarlet" (Eine Studie in Scharlachrot) veröffentlichte Doyle 1887 und wie es vielen Autoren bei ihren Erstlingswerken geht, so fand auch Doyle kaum Beachtung mit diesem Werk. Auch der zweite Roman "The Sign of Four" (Das Zeichen der Vier), war sozusagen ein Ladenhüter. Erst ab 1891, als er begann kürzere Episoden im "The Strand Magazine" zu veröffentlichen, erreichte er ein breites Publikum. Ab diesem Zeitpunkt wuchs die Fangemeinde um den Detektiv mit dem seltsamen Hut ungemein schnell an. Oh, am Rande sei erwähnt, dass der berühmte Hut, ein sogenannter "Deerstalker", nur in "The Adventure of Silver Blaze" (Silberstern/Silberstrahl) explizit erwähnt wurde. Den Illustrationen von Sidney Paget ist es zu verdanken, dass dieser komische Hut heute als markantestes Erkennungszeichen von Holmes gilt. Der und die Pfeife, versteht sich.
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Quelle: gonemovies.com |
Nun, wie auch immer. Die Begeisterung der Leser ging soweit, dass nach Holmes' Tod in "The Final Problem" (Das letzte Problem) ein Aufschrei der Empörung durch die Bevölkerung ging. Doyle, der einfach genug davon hatte, immer nur Holmes-Geschichten zu schreiben und kaum Zeit für seine historischen Romane fand - Projekte, die er selbst für wesentlich bedeutender hielt - setzte mit der Ermordung der Hauptperson einen jähen Schlussstrich unter seine Detektiv-Reihe. Die treuen Anhänger der Serie aber, waren ziemlich am Ende. In London begann man schwarze Armbinden und Krawatten zu tragen, als Zeichen der Trauer. Trauer um einen fiktiven Charakter, die solche Dimensionen annimmt. Respekt! Das schafft auch nicht jeder Autor. In einem Interview lies Mark Gatiss (einer der Produzenten und Autoren von "Sherlock") verlauten, Doyle sei sogar auf offener Straße angegriffen worden.
Ich konnte zwar auf die Schnelle keine weiteren Quellen zur Bestätigung dieses Vorfalls finden, allerdings halte ich es durchaus für möglich. Fan-Liebe und ihre Ausmaße! Da wundert mich eigentlich nur noch recht wenig.
Wissentlich oder unwissentlich - ich kann es nicht sagen - gestaltete Doyle den literarischen Tot von Sherlock Holmes so, dass sich die Möglichkeit bot, ihn zehn Jahre später wieder "auferstehen" zu lassen. 1902 erschien der Roman "The Hound of the Baskervilles" (der Hund von Baskerville), eine der berühmtesten Sherlock Holmes Geschichten und die am meisten adaptierte.
Der letzte Roman "The Valley of Fear" (Das Tal der Angst) erschien 1915. Darauf folgten 1917 acht Kurzgeschichten im Band "His Last Bow" (Seine Abschiedsvorstellung) und 1927 zwölf weitere Erzählungen unter dem Titel "The Case-Book of Sherlock Holmes" (Sherlock Holmes' Buch der Fälle).
1930 starb Sir Arthur Conan Doyle, doch Sherlock Holmes lebt weiter - ja, ich weiß, wie theatralisch das klingt, aber es ist nun einmal eine Tatsache, die sich nicht leugnen lässt. Klassiker sind eben Klassiker. Und Klassiker sind vor allem nicht ohne Grund Klassiker geworden.