Wenn Blicke Bände
sprachen, sagte sein Blick alles. Die Augen gebannt auf den dunklen
Haarschopf, wenige Meter vor ihm gerichtet, entging ihm keine
Bewegung, kein Lächeln, kein Wort, das sie sagte. Ihre Stimme wehte
durch die Menschenmenge zu ihm herüber, wie die bunten Blätter
draußen über den kargen, grau gepflasterten Boden der
Einkaufsstraße.
Wenn Blicke töten
könnten, wäre der schmierige Verkäufer, dessen penetrantes
Rasierwasser er trotz Entfernung riechen konnte, just in diesem
Moment hinter der Theke umgefallen.
Unbewusst straffte er die
Schultern, hob das Kinn und blickte über die Nasenspitze hinweg, aus
seinen, zu Schlitzen verengten, stahlblauen Augen, auf den Mann im
schlecht sitzenden Anzug.
Der Verkäufer sah es
genau. Gut so.
„Vielen Dank“, hörte
er sie nun sagen. „Schönen Tag noch!“
Dann drehte sie sich um
und kam lächelnd auf ihn zu. Ein verschmitzter Blick in die Tüte,
die sie in Händen hielt, gefolgt von einem sichtlich zufriedenen
Grinsen, das ihre Züge erhellte. Und seine auch.
Sie freute sich wie ein
kleines Kind über den karierten Schal, den sie gerade erstanden
hatte und war sich nicht gewahr, welcher Machtkampf soeben, über
ihre Schultern hinweg, ausgefochten worden war. Sie schien nicht
einmal bemerkt zu haben, dass dieser glattgegeelte Herr mit dem
pseudo-vornehmen Gehabe mehr als nur freundlich gewesen war.
Worüber sollte er sich
jetzt mehr freuen? Über ihr glückliches Gesichtchen oder über die
Tatsache, dass sie andere Männer, allem Anschein nach, nicht im Geringsten wahrnahm?
„Der ist wirklich
hübsch“, sagte sie freudig und schloss die Tüte wieder. „Ja,
wirklich hübsch“, entgegnete er etwas abwesend und legte seinen
Arm um ihre Schultern; eine Geste die schlicht besitzergreifend war.
Ein letzter, vielsagender Blick auf seinen erklärten Widersacher,
bevor er zusammen mit ihr das Geschäft verließ.
Manchmal musste er sich
selbst fragen, warum er auf diese Art reagierte, obgleich er ganz
genau wusste, dass sie, vor allem anderen, eine treue Seele war.
Vielleicht, weil er sich doch insgeheim fragte, ob sie so naiv war,
dass sie es nicht merkte, wenn man mit ihr flirtete, oder ob es sie
tatsächlich nicht interessierte.
Sie liefen einige Zeit an der Straße entlang, zu dem Parkplatz, auf dem sein Wagen stand.
Welke Blätter fielen von
den Bäumen, tanzten einen Augenblick im Wind, ehe sie zu ihren Füßen
liegen blieben. Finstere Wolkenberge türmten sich drohend über
ihren Köpfen auf. Die Temperaturen schienen mit jeder Minute weiter
zu sinken.
„Wir sollten uns
beeilen“, sagte er mit einem Blick in den Himmel.
„Wieso?“, wollte sie
wissen, woraufhin er sich zu ihr hinunter beugte und ihr mit
dunkler, betont düsterer Stimme zuflüsterte:
„Gleich kommt Regen und
Sturm... und Dunkelheit“
Er wusste um den Schauer,
den das Gefühl seines Atems auf ihrer Haut, durch ihren Körper
jagte. Er wusste auch, dass sie seinen unüberhörbaren,
niederländischen Akzent liebte, selbst wenn seine Art sich
auszudrücken zuweilen etwas unglücklich war.
Sie lächelte. „Ja, wir
sollten uns beeilen“, stimmte sie zu und hauchte einen Kuss auf
seine Wange.
„Mir ist auch ziemlich
kalt. Ich möchte auf die Couch und unter eine Decke“
„Mit mir?“, hakte er
mit einem Augenzwinkern nach. Es lag eine Doppeldeutigkeit in seinen
Worten, die kaum zu überhören war und doch nur zu verschleiern
versuchte, wie sehr es ihn, gerade jetzt, nach ihrer
Bestätigung verlangte.
„Ja, mit dir“, erlöste
sie ihn schließlich, fügte jedoch im selben Atemzug hinzu:
„Mit wem denn sonst, du
eifersüchtiges Mannsbild?!“
Seine Augen weiteten sich
schlagartig. Das hatte er nicht kommen sehen.
Er öffnete den Mund und
schloss ihn genauso wortlos wieder. Was hätte er auch fragen oder
sagen sollen? Es gab nichts, was man dem hätte hinzufügen können.
Ein kurzes, raues Lachen
entkam seien Lippen und er schüttelte ungläubig den Kopf. Ungläubig
über sich selbst. Wie hatte er auch nur einen Moment lang annehmen
können, diese Frau sei naiv?
Ihr entging nichts. Rein
gar nichts!
Das ist eine sehr gut gelungene Geschichte!
AntwortenLöschenIch mag deine Art, wie du einen Satz formulierst, diese Detailliebe und Wortwahl... Hach... *_*
Naja ich darf mich ja zu den wenigen Glücklichen schätzen, denen das sogar von dir vorgelesen wurde und mit deiner netten Stimme wirkt es umso mehr!
Ganz toll, Hase. :D